Protzen Open Air, das ist Metal in familiärer Atmosphäre für Schnellentschlossene.
Ja, wer nicht schnell war und am Stichtag sein Ticket bestellt hatte, der musste nach 5 Stunden das "Ausverkauft" Schild bestaunen und durfte sich verärgert in dem Allerwertesten beißen. 1000 der begehrten Tickets waren dann schon an den Metalfan gebracht. Denn das POA bedeutet auch familiäre Atmosphäre, nette Leute, Freunde treffen, humane Preise, gutes und abwechslungsreiches Essen, Lagerfeuer(romantik), Partymucke abends nach den Gigs und und und. Also viele gute Gründe, sich sein Ticket zeitig zu besorgen. Das Billing war auch im 21. Jahr des Festivals ausgewogen und mit interessanten Bands bestückt.Im Jahr 1 nach der DSGVO wird der Bericht leider ohne Fotos auskommen müssen. Zum Glück fällt ein Bericht noch nicht unter die Datenschutzgrundverordnung.
Nachdem es in Brandenburg wochenlang nicht geregnet hatte, war es ausgerechnet das POA Wochenende, wo der Regen kam. Auch wenn es nur ein paar Stunden hie und da waren, kühlte es doch kräftig ab und es war teilweise mit 17° C doch recht kühl für die sonnenverwöhnten Headbanger. Dank des "Hangars" und des Partyzeltes musste aber niemand im Regen stehen. Neu war auch die Theke im Zelt, so kam es nie zu Wartezeiten beim Getränkekauf.
Freitag: 23.06.2018, Tag 1
Für uns ging das Festival am Freitag mit
Betalmand los. Der Hangar war gut gefüllt, das Publikum machte mächtig Stimmung und dreiviertel der Leute grölte lautstark mit. Der Fünfer mit zwei Gitarristen und einer Bassistin spielte typischen straight forward ufta ufta HM-2 Schwedentod. Sehr feine, mit leichtem Hall unterlegte Gitarrenleads setzten dem melodischen Death Metal das Sahnehäubchen auf. Überhaupt faszinierte mich die wirklich gute Gitarrenarbeit von Betalmand.Weiterging es für mich mit eine Überraschung, denn Phantom Corporation war mir bis dato unbekannt, doch die Stimme kam mir bekannt vor. Kein Wunder, denn als ich im Hangar angekommen war, erkannte ich Leffe von Dew Scented am Mikro. Die noch recht neue Band bretterte einen derben crustig, thrashpunkigen Death Metal von der Bühne. Mir kam relativ bald Disfear in den Sinn. Bei Phantom Corporation macht Leffe Tompa Lindberg stimmlich Konkurrenz. Leider waren nach den Publikumslieblingen Betalmand nicht mehr so viele Fans am Start, aber diejenigen die da waren, hatten ihren Spaß bei dem heftigen Agrogeballer. Die anderen dürfen sich jetzt gerne ärgern...
Final Dawn aus Finnland besteht aus zwei alten Hasen an Gitarre und Mikro und dem jungen barfuß spielenden Drummer, der mit seiner Bemalung aussah als wäre er von Ensiferum ausgeliehen. Musikalisch ging es meist stampfend im Midtempo voran und wurde nur gelegentlich etwas schneller. Keifend wurden die Lyrics vom Gitarrist und Sänger Vesku ins Mikro geschrien, wogegen die kurzen Ansagen und Erklärungen der Songs mit ruhiger Stimme gesprochen wurden. Final Dawn gehen gut zur Sache und können mit ihrem, ich sage mal, finnischen Touch und Pagan Einflüssen gefallen. Leider war der Hangar nur zur Hälfte mit Fans gefüllt und auch diese blieben recht verhalten während der Show. Im Anschluss mischte sich die Band munter das Publikum und war dort entsprechend alkoholisiert während des gesamten Festivals anzutreffen.
Musik und Gesang von dem Fünfer Blood Invation klang oft sperrig. Viele Rhythmuswechsel und stakkatoartiges Riffing machten die Songs der Neuruppiner Lokalmatadore nicht besonders eingängig. Optisch trug die Band, mit Ausnahme der Schlagzeugerin, schwarze Westen, die scheinbar nach Schutz- oder Munitionswesten aussehen sollten. Irgendwie zündete der Stoff von Blood Invation bei mir nicht.
Anders dann bei Lifeless. Volle Hütte und klasse Stimmung war bei dem old school Death Metal der Jungs angesagt. Das erste Drittel der Fans vor der Bühne war schwer am Bangen und Abfeiern. Die anderen zwei Drittel standen quasi mit offenem Mund da und staunten, was Lifeless für eine (gewohnte) geile Show ablieferten.
Humiliation kamen exklusiv für diesen Gig aus Malaysia nach Protzen. Wie so oft waren die Leute zunächst verhalten und abwartend, was die Hänflinge wohl gleich auf der Bühne fabrizieren würden. Und so kam es, wie es immer kommt… Die Menge tobte und genoss den Bolt Thrower/Benediction-ähnlichen Sound in vollen Zügen. Ruck zuck war die Hütte voll und die Matten kreisten überall und Humiliation zeigten, wo der Frosch die Locken hat. Sänger Bear Bee Shahrizam war vollauf begeistert und machte eine Runde Crowdsurfing. Kein Wunder, dass die Jungs eine Zugabe geben mussten. Soweit ich mich erinnere, war dies die erste Zugabe des Tages. Im Anschluss stürmten die Leute den Merchandisestand der Malaien und kauften die mitgebrachten Special-Humiliation-POA-Shirts leer, (gut, dass ich meines schon vorher gekauft hatte). Ebenso Platten und CDs wurden eingesackt. Mancher kaufte den gesamten, vorhandenen Backkatalog der Band auf einen Schlag.
Die Dänen Illdisposed waren wie immer coole Socken, der Hangar gut gefüllt. Jeder kennt die eierlosen Nutten hier auf dem POA und alle wollten sie hören. Bo gab wie immer seine Sprüche wie „wird sind schwul und ihr seid auch schwul“ zum Besten. Die Setlist war fett und enthielt neuere Songs, aber auch alte Sachen wie „Dark“ und „Throw your bolts“. Das Publikum war am Toben und ging steil. Auch der Hangar war mittlerweile brechend voll geworden. Schlusssong war „A child is missing“, aber das Publikum wollte mehr und so mussten/durften auch Illdisposed eine Zugabe geben.
Die schwedische All-Star-Combo Firespawn waren der Headliner am Freitag. Wie mir L.G. vor dem Gig erzählte, wäre der Basser wohl erkrankt und sie müssten mit einem Ersatz spielen. Kann ich aber im Nachhinein gar nicht beurteilen… Wer achtet um diese Uhrzeit noch auf den Basser? ;) Der Gig der Schweden konnte mich und andere heute nicht mehr vom Hocker reißen. Etliche Leute verließen bereits während des Gigs den Hangar. Die Drums klangen leider stark getriggert und klinisch und L.G. Petrov versuchte Witzchen in Deutsch zu machen, was aber leider nicht funktionierte. So gingen aber zwischen jedem Song fast drei Minuten für sein Geschwätz drauf, was auf die Dauer nervig war. Vermutlich hatte Mr. „Entombed“ am Nachmittag doch etwas zu tief ins Glas bzw. den Bierbecher geschaut. Wenn die Band dann aber mal am Spielen war, klag das schon recht fett.
Leider blieb heute, wegen des Windes, das Lagerfeuer aus und man ließ im Partyzelt mit Suff und Hits die DJ Keksgrinder wie Foreigner, Queen und anderen Kapellen bei bester Laune den Abend ausklingen.
Samstag: 24.06.2018, Tag 2
Leider hatten wir die Hardcore Combo
Infight aus Berlin verpasst. Gerne hätte ich die beiden Post Mortem Recken Tilo und Putz und Drummer Schrod von Protection of gutHate mal live als Hardcoreband gesehen.So begann der Samstag für uns mit den Chilenen Thornafire, die gerade ihren letzten „Song“ spielten und dieser bestand aus einem minutenlangen Gitarrensolo, begleitet von Schlagzeuggeballer. Der Hangar war nur zu einem Drittel gefüllt, den anwesenden Fans hatte der Gig offensichtlich gut gefallen. Der Sänger gab uns zum Schluss noch mit auf den Weg, dass „Arch Enemy Scheiße ist“, was einigen Leuten nicht so gut gefallen hat. ;)
Die Niederländer Inhume bretterten ihren brutalen Deathgrind heftig und druckvoll von der Bühne. Außerdem musste ich feststellen, dass ich Inhume schon lange nicht mehr live gesehen habe, denn Sänger Joost Silvrants (Cliteater) - die coole Socke - war nicht mehr am Start und wie ich später erfuhr, schon seit 2012 nicht mehr. Wieso die Band aber mit zwei Sängern, die die gleiche Stimmlage singen, auftritt, leuchtet mir nicht wirklich ein.
Die Schweizer Requiem haben eine Lehrstunde des old school Ami Death Metal abgeliefert. Stile von Malevolent Creation haben Requiem eine Soundwand aufgebaut, die alles niedergewalzt hat. Die Gitarren, die Drums, die mit drei fetten Toms bestückt waren, einfach alles war auf Zerstörung ausgelegt. Gnadenlos wurde heruntergebrettert, die Riffs in die Menge gefeuert und Sänger Michi Kuster growlte, was das Zeug hielt. Gut war auch, dass immer mal wieder geile Mosh- und Bangparts in die Songs eingebaut wurden. Den Fans hatte der Gig gefallen und es wurde heftig gebangt und gefeiert. Auch der Band hat der Gig in Protzen sichtlich Spaß gemacht. Großes Kino, meine Herren!
Die deutschen Thrasher Dew Scented lieferten auf ihrer Abschiedstour eine gewohnt fette Show ab und das Publikum hatte auch hier ihren Spaß an der Sache.
Der Dreier Debauchery kam mit allerhand Blut und merkwürdiger Rüstung auf die mit riesigem Backdrop verzierte Bühne. Das Schlagzeug war ungewöhnlich spartanisch, abgesehen von den vielen Becken, ausgerüstet. Mastermind, Markeninhaber des Wortes Bloodgod, Sänger und Gitarrist Thomas Gurrath habe ich schon stimmgewaltiger erlebt, was die Tiefen und Höhen betrifft. Irgendwie ist für mich die Faszination für Debauchery mit steigendem Pomp, Stripshows und Presseaktivitäten der Band über die letzten 6 bis 8 Jahre verlorengegangen. Der Hangar war gut gefüllt, wenngleich auch während des Gigs einige Fans die Show verließen. Zusätzlich fing es auch noch heftig an zu regnen.
Die schwedischen Death Metaller Demonical haben auch heute wieder eine tadellose fette Show abgeliefert. Mit klasse Sound haben die Jungs mit ihrem straighten Schwedendeath abgeräumt und auch der „neue“ Sänger Alexander Högbom hat wieder alles gegeben. Leider fiel eine der Gitarren aus und Sänger Alexander füllte die fast 10 Minuten mit einigen Ansagen und Späßchen. In der Zwischenzeit hatte Deutschland gegen Schweden bei der WM gewonnen. Auf die Frage, wie es ausgegangen sei, gab jemand aus dem Publikum Alexander die Fakenews, dass Schweden gewonnen hätte. Daraufhin schnappte der sich eine riesige Schwedenfahne und sang die nächsten Hymnen mit der Fahne über den Schultern. Er sagte, dass wir sie vermutlich killen würden, wenn sie von der Bühne kommen – was natürlich nicht passierte… ;)
Danach ging es mächtig weiter mit Just Before Dawn. Die schwedisch/dänische Combo mit Frontmann Dave Ingram aus England lieferte, angetrieben von der flakartigen Doublebass, brettharten Death Metal, der unglaublich massiv rüberkam. Dave Ingram passte mit seinen tiefen Vocals wie der Arsch auf den Eimer! Einen Song widmete die Band Bolt Thrower und dieser war auch deutlich Bolt Thrower-lastig und lief uns runter wie Öl. Auch wenn das Rezept der Songs meist ziemlich gleich ist, war dies ein großer Gig, der auch die anderen Fans schwer begeisterte. Dies sah Dave Ingram genauso und sagte dem Publikum, dass man schon auf vielen Festivals gespielt habe, aber so geil wie in Protzen wäre es noch nie gewesen.
Der Headliner Entombed A.D. konnte anfangs nicht so zünden, später aber ging die Post ab und das Publikum feierte die old school Hymnen von Entombed. Leider war auch heute L.G. nicht so gut bei Stimme, wie man es sich gewünscht hätte. Aber zum Glück hielt er sich mit seinen vielen Ansagen, wie am Vortag mit Firespawn zu hören, zurück. Auch wenn, wie oft üblich am letzten Abend eines Festivals, nicht mehr so viele Leute den Weg vor die Bühne gefunden hatten, war beim vorletzten Song „Left Hand Path“ und dem Schlusssong die Hütte endgültig am Bangen und Kochen.
So endete denn leider wieder der offizielle Teil eines weiteren tollen Protzen Open Airs. Heute wurde auch das große, gemütliche Lagerfeuer wieder angezündet und man konnte sich daran aufwärmen, quatschen oder man hatte die Gelegenheit nebenan im Partyzelt zu Death Metal, aber auch wieder zu den uralten Klassikrocksongs abzutanzen und abzuhängen.
Abermals vielen Dank an Mario und Andrea Grimmer für den Support sowie allen Helfern und Fans, die dieses Festival immer zu einem großen Familientreffen machen!
Danke auch an Schrod bzw. Frau Schrod für den leckeren Lakritzschnaps und Charly und Ivon für die leckeren Getränke, die ihr immer am Start habt!
Bericht von Pit, 10.07.2018