Thema: Artikel zum BGH Urteil: Warum Rocker Polizisten erschießen dürfen, aus dem Spiegel Heft 45/2011 vom 07.11.2011 | < Älteres Thema | Neueres Thema > |
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Beitrag Nummer: 1
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UnDerTaker
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Geschrieben: 10.11.2011, 15:20 |
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Quelle: Spiegel Heft 45/2011 vom 07.11.2011
"Tragisch verkettet" Der Münchner Rechts-professor und Strafverteidiger Klaus Volk, 67, über den Freispruch für einen Rocker der Hells Angels, der einen Polizisten erschossen hatte SPIEGEL: Der Bundesgerichtshof hat ein Mitglied der Hells Angels freigesprochen, das bei einer Hausdurchsuchung ohne Vorwarnung einen Polizisten durch die geschlossene Wohnungstür erschossen hat. Können Sie das nachvollziehen?
Volk: Ich hätte genauso entschieden. Der Mann sah sich in einer besonderen Notwehrsituation, und da durfte er sofort schießen.
SPIEGEL: Aber es bestand doch gar keine Notwehrlage. Die Polizisten hatten einen Durchsuchungsbeschluss. Der Mann dachte angeblich, konkurrierende Bandidos wollten bei ihm eindringen und ihn umbringen.
Volk: Das ist eine sogenannte Putativnotwehr, also eine eingebildete Notwehrlage. Die kann zwar nichts rechtfertigen, aber entschuldigen. Es kommt dabei rechtlich nur auf die Frage an: Wenn es wirklich einer von den Bandidos gewesen wäre - hätte er sich dann so verteidigen dürfen?
SPIEGEL: Und?
Volk: Normalerweise muss man zwar vorher einen Warnschuss abgeben. Da der Rocker davon ausgehen konnte, er sei in höchster Lebensgefahr, war aber auch das nicht nötig. Er durfte sofort schießen - dass dabei der vermeintliche Angreifer tödlich getroffen wurde, spielt dann rechtlich keine Rolle mehr.
SPIEGEL: Und wenn der Rocker die Waffe illegal besessen hätte?
Volk: Dann wäre er vielleicht wegen illegalen Waffenbesitzes dran. Die Herkunft einer Waffe spielt bei der Notwehr keine Rolle - ihr Einsatz darf nur nicht unangemessen sein.
SPIEGEL: Für Hells Angels ist es eine Auszeichnung, einen Polizisten zu töten. Aus Polizeikreisen heißt es nun, das Urteil sei ein Freibrief für den Schusswaffengebrauch im Bandenkrieg, da müssten die Kontrahenten ja ständig mit Überfällen rechnen.
Volk: Das ist Unsinn. Wenn man etwa den konkreten Angriff, ob eingebildet oder nicht, selbst provoziert hat, muss man sich zurückhalten. Und man darf auch nicht einfach wild auf alles ballern, was sich bewegt. Hier haben sich einfach besondere Umstände tragisch verkettet. Es gab eine konkrete Morddrohung, und die Polizisten haben die Tür aufgebrochen, ohne sich zu erkennen zu geben.
SPIEGEL: Das macht das Spezialeinsatzkommando offenbar immer so.
Volk: Aber nur dadurch konnte sich der Täter auf seinen Irrtum berufen
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RedDevil
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Geschrieben: 10.11.2011, 15:36 |
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Deutsche Rechtsprechung at its best. Unglaublich
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Azze
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Geschrieben: 11.11.2011, 10:40 |
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Ich glaube dein Titel ist falsch gewählt. Von "erschießen dürfen" kann keine Rede sein, man darf es bei uns nicht. Er wird nur auf Grund der fragwürdigen Hintergründe und der Rechstsituation nicht dafür belangt.
Zudem sind wir durch die Worte "Hells Angel" "Bandidos" und "Polizistenmord" sofort voreingenommen. Ersetze diese 3 Begriffe durch andere und wir lesen denn Fall sofort anders und bewerten ihn für uns selbst auch sofort anders.
Fakt ist: - Er hat die Waffe nicht illegal besessen, sondern sie war ordnungsgemäß registriert und er hat eine Waffenbesitzkarte dafür - Es gab eine konkrete Morddrohung gegen ihn - Er hat aus seiner Sicht aus Notwehr gehandelt, da er nicht wusste das ein SEK an seine Tür "klopfte" (was ja normal ist, die gehen einfach rein), sondern dachte draußen steht ein vermeintlicher Feind der in umbringen will
So scheiße es sich jetzt anhört, aber rechtlich hat er tatsächlich in Notwehr gehandelt. Wie ich schon sagte, bewerten wir die Situation durch die verwickelten Protagonisten als voreingenommen, was rechtlich nicht getan werden darf. Unser Rechtssystem ist an dieser Stelle also nicht unbedingt schlecht, sondern einfach nur korrekt. Auch wenn wir die Sache anders interpretieren und das anders sehen.
Aber versetzt euch mal in die Lage, wie würdet ihr handeln? Würdet ihr euch nicht auch verteidigen wenn ihr der Meinung seid, das euer Leben in unmittelbarer Gefahr ist?
Denn auch wenn er ein "böser Rocker" ist, hat er die gleichen Menschen-Rechte wie jeder von uns.
Deswegen nicht immer vorschnell urteilen.
Bearbeitet von Azfares an 11.11.2011, 10:42
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Beitrag Nummer: 4
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UnDerTaker
Total Satan
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Geschrieben: 11.11.2011, 10:49 |
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@Azze: Ich teile genau deine Meinung. Ich wollte den Artikel mal unkommentiert lassen. Sicher ist es in jedem Fall ein Problem mit ner Waffe durch eine verschlossene Tür zu schießen, es hätte ja auch der Briefträger sein können...
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Beitrag Nummer: 5
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RedDevil
Prayer of Death
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Geschrieben: 11.11.2011, 15:13 |
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Wenn ich mich in einem solchen Milieu bewege (Rocker oder nicht ist mal egal), sind mehr oder weniger konkrete Todesdrohungen ja fast an der Tagesordnung. Dh, sobald jemand an meine Tür klopft oder ich vllt auch nur ein Geräusch draußen höre, darf ich schießen?
Und mal ganz ohne irgendwelche kriminellen Milieus: Woher weiß ich denn, dass nicht mein Nachbar von nem Verrückten eine konkrete, evtl. ernst zu nehmende Morddrohung erhalten hat? Und ich schicke dann meine Frau oder mein Kind rüber, nach Mehl/Eiern/Kaffee/keineahnungwas zu fragen?
Imho sollte KEINER das recht haben, durch eine geschlossene Tür zu schießen (ok, außer es wird von der anderen Seite geschossen). Und wenn ich in Gefahr wäre: Keine Ahnung, ganz ehrlich. Zum einen hab ich keine Waffen (gehören imho auch nicht in Privathäuser, aber das ist nochmal ein anderes Thema), zum andern haben wir ne halbdurchsichtige Glastür und überhaupt ist es unheimlich schwer, sich in sowas reinzuversetzen.
Und @Azze doch, die Überschrift ist ganz richtig. Mit dem Urteil hat jeder einen Freibrief auf seine Tür zu ballern bekommen, der sich in gewissen Kreisen bewegt. Einer latenten Lebensgefahr setzen sich Leute in gewissem Umfeld einfach aus. Und da findet sich dann auch ganz schnell jemand, der aussagt, dass Du konkret bedroht wurdest.
Was wäre denn gewesen, wenn die Polizei in _Vermutung_ einer Schusswaffe einfach mal durch die Tür geballert hätte? Da wäre wieder das Geschrei von Polizeistaat/Willkür/übermäßiger Gewaltanwendung usw ganz groß gewesen. Das Risiko für die Polizei vor der Tür war größer als das für den "Rocker" hinter der Tür, weil ja sogar bekannt war, dass der Typ ne Waffe hat!
Am besten ist es wohl, das SEK schickt drei Wochen vorher ne schriftliche Ankündigung, die dann auch bestätigt werden muss, sonst muss der Einsatz halt verschoben werden. Wo kommen wir denn dahin, wenn die Polizei mit richterlichem Beschluss einfach so in eine Wohnung eindringen dürfte? Wenigstens vorher anrufen hätten sie können, dann kann man noch etwas Ordnung machen. Und schonmal zielen.
Bearbeitet von RedDevil an 11.11.2011, 15:15
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