Forum: Computer
Thema: Heimliche Online-Durchsuchungen des Bundes sind unzulässig
Eröffnet von: UnDerTaker

Beitrag von UnDerTaker an 16.02.2007, 09:17
Urteil des Bundesgerichtshofs

Heimliche Online-Durchsuchungen sind unzulässig

Die Durchsuchung der im Computer eines Beschuldigten gespeicherten Daten ist nach Ansicht der Karlsruher Richter nicht durch die Strafprozessordnung gedeckt. Jetzt muss der Gesetzgeber eine neue Rechtsgrundlage schaffen - oder die Ermittler können dieses Mittel nicht mehr einsetzen.
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Die Durchsuchung der im Computer eines Beschuldigten gespeicherten Daten mit Hilfe eines Programms, das ohne Wissen des Betroffenen aufgespielt wird, sei nicht durch die Strafprozessordnung gedeckt. Diese erlaube nur eine offene Durchsuchung. Für die heimliche Online-Durchsuchung fehle die „erforderliche Ermächtigungsgrundlage“, entschied der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH). (Aktenzeichen StB 18/06).

Hintergrund ist, dass der Staat durch so genannte trojanische Pferde die gesamte Festplatte eines Computers heimlich durchsuchen kann. Das Mittel wurde in der Vergangenheit bereits gegen Beschuldigte eingesetzt, etwa um die Mails mutmaßlicher Mitglieder einer kriminellen Bande zu lesen. Die Durchforstung konnte nur stattfinden, solange der Computer des Beschuldigten eingeschaltet war. Die Maßnahme musste durch einen Richter angeordnet werden.

In dem für die Praxis der Ermittler wichtigen Beschluss hatte der BGH zu klären, ob die bisherigen gesetzlichen Grundlagen für das heimliche Ausforschen von PCs ausreichen. Ein BGH-Ermittlungsrichter hatte dies im Februar vergangenen Jahres bejaht, ein anderer im November verneint. Die Bundesanwaltschaft hat Beschwerde eingelegt, so dass nun abschließend entschieden werden muss.


Vergleichbar mit großem Lauschangriff?
BGH-Ermittlungsrichter Ulrich Hebenstreit hatte im November 2006 eine solche Anordnung mit der Begründung abgelehnt, dass es für die heimliche Computerüberwachung keine gesetzliche Grundlage gebe. Eine Online-Razzia sei keine übliche Maßnahme wie etwa die Durchsuchung einer Wohnung – in diesem Fall muss der Beschuldigte oder mindestens ein Zeuge anwesend sein. Die Maßnahme erfolgt also nicht heimlich.

Nach der Hebenstreits Entscheidung kann die Online-Durchsuchung auch nicht mit einer Telefonüberwachung verglichen werden, da laut Bundesverfassungsgericht bereits abgespeicherte Daten nicht mehr Teil der Telekommunikation sind. Dabei seien die gespeicherten Daten oft ähnlich vertraulich wie eine Unterhaltung in der eigenen Wohnung.

Da es folglich kein Gesetz für heimliche Online-Durchsuchungen gebe, diese aber einen tiefen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht darstellten, könnten sie gegenwärtig nicht genehmigt werden.

Beobachter waren vor dem Urteil davon ausgegangen, dass der BGH in seiner Urteilsbegründung dieser Argumentation folgen würde. Nun muss eine neue Regelung geschaffen werden.

Der Chaos Computer Club (CCC) lehnt die Online-Durchsuchungen entschieden ab, wie vorab in einer Pressemeldung erklärt wurde. Nach Ansicht des CCC wäre dies ein weiterer Schritt zur Abschaffung wichtiger Grundrechte, insbesondere des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung.

Derartige Maßnahmen seien selbst bei schwersten Straftaten unverhältnismäßig. Die heimliche, auch automatisiert mögliche Online-Schnüffelei als normale Ermittlungsmethode einzuführen, widerspricht nach Meinung des CCC dem Grundgesetz.

(AP/dpa)

Beitrag von UnDerTaker an 16.02.2007, 09:20
"Online-Durchsuchung ist unerlässlich"

Nach der BGH-Entscheidung drückt der Innenminister Schäuble aufs Tempo: Eine entsprechende Rechtsgrundlage soll "zeitnah“ geschaffen werden. Auch die Generalbundesanwaltschaft will auf das Instrument nicht verzichten.
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Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass es momentan keine Rechtsgrundlage gebe, um die PCs von Terror-Verdächtigen und Kriminellen zu durchforsten.

Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hält die verdeckte Online-Durchsuchung von Computern im Rahmen von Ermittlungen für unerlässlich. Schäuble reagierte auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe, wonach dafür die Rechtsgrundlage fehle. Durch eine „zeitnahe Anpassung der Strafprozessordnung“ müsse eine Rechtsgrundlage für solche Ermittlungsmöglichkeiten geschaffen werden, forderte der CDU-Politiker.

„Aus ermittlungstaktischen Gründen ist es unerlässlich, dass die Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit haben, eine Online-Durchsuchung nach entsprechender richterlicher Anordnung verdeckt durchführen zu können“, heißt es aus dem Ministerium, das der CDU-Politiker führt.

Mit verdecktem Zugriff auf Computer-Festplatten könnten regelmäßig wichtige weitere Ermittlungsansätze gewonnen werden, hieß es. Dafür müsse die entsprechende rechtliche Grundlage geschaffen werden.

Generalbundesanwältin Monika Harms ließ durch ihren Sprecher erklären, dass mit dem BGH-Beschluss Rechtsklarheit für die Beweisermittlung im Online-Bereich geschaffen wurde. Zugleich wies der Sprecher darauf hin, dass Islamisten zunehmend moderne Kommunikationstechniken wie das Internet einsetzten, um ihre Straftaten zu begehen. Die Bundesanwaltschaft müsse damit „Schritt halten“ können, um ihren Auftrag, die Bekämpfung und Aufklärung schwerster Straftaten, zu erfüllen.



Opposition begrüßt Urteil
Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Jörg van Essen, verlangte von der Bundesregierung eine schlüssige Begründung der Notwendigkeit solcher Ermittlungsmethoden. „Auf keinen Fall darf eine Online-Überwachung zu einer polizeilichen Standardmaßnahme werden“, erklärte er.
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Die Linksfraktion begrüßte das BGH-Urteil als „Glücksfall für die Bürgerrechte und für jeden, der einen internetfähigen Computer nutzt“. Ihr Innenpolitik-Experte Jan Korte forderte Schäuble auf, diese juristische Schlappe zum Anlass für eine Kehrtwende in seiner Politik zu vollziehen.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, unterstrich die „Notwendigkeit, bei schweren Verbrechen wie zum Beispiel Kinderpornografie oder terroristischen Vorbereitungshandlungen Festplatten von Tatverdächtigen online durchsuchen zu können“.

Mehr und mehr Kriminalität werde im Internet geplant, verabredet, vorbereitet oder begangen. Ermittlungen müssten daher auch im virtuellen Wohn- oder Arbeitsraum möglich sein. Freiberg forderte den Gesetzgeber auf, schnellstmöglich für eine klare Rechtsgrundlage für die Polizei zu sorgen.


Datenschützer lobt Urteil - und warnt zugleich
Als „hundertprozentig richtig" bezeichnet Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein, das Urteil der Bundesrichter. Er sei von Anfang an von diesem Urteil ausgegangen. „Als halbwegs seriöser Jurist kann man nicht anders entscheiden", sagt Weichert im Interview mit sueddeutsche.de.

Er habe nun größte Befürchtungen, dass die gesetzliche Grundlage für die Online-Durchsuchung geschaffen werde. „Beim Lauschangriff gibt es klare Regelungen, was und wie abgehört werden kann und darf", so Weichert, „das ist diesem Fall gar nicht möglich". Beim Zugriff auf die Festplatte ließe sich nicht unterscheiden zwischen möglichen kriminellen Inhalten und höchst privaten Daten. Diese Vermischung sei unverhältnismäßig und daher nicht mit der Verfassung zu vereinbaren.

Weichert zeigte sich entsetzt über die „vollmundigen Ankündigungen" Schäubles, eine Rechtsgrundlage zu schaffen. „Die Mitglieder der Bundestagsfraktionen werden sich hoffentlich auf die Verfassung besinnen und den Gesetzesentwurf ablehnen", sagte er. Die liberale ?-ffentlichkeit sei nun aufgefordert, sich der Neuregelung entgegenzusetzen.

(sueddeutsche.de/AP/AFP)

Beitrag von UnDerTaker an 16.02.2007, 09:24
Ich begrüße das Urteil ebenfalls ? :ok:
Andererseits muss man auch den Wunsch der Strafverfolger verstehen, dass man kriminelle Machenschaften, denen das Internet mit Email, PGP usw. gute Möglichkeiten bietet, verfolgen zu können.
Wie man da den Spagat hinbekommen soll weiß ich auch nicht...

Beitrag von Slaypultura an 16.02.2007, 10:51
Ja, da kann ich auch nur zustimmen! Ich meine, nich das jemand "normales", also nicht schwerkriminell, etwas zu befürchten hätte, aber wenn der Beschluss es so will, gehen wir einen weiteren Schritt Richtung Polizeistaat und das ist bestimmt nicht erstrebenswert..
Auf jeden Fall ein hochbrisantes Thema, dass uns eigentlich alle betrifft.

Beitrag von Azze an 27.02.2007, 11:49
Ha, die Penner sollen ruhig versuchen sich in meinen PC zu hacken, das schaffen die net. Mein Netz is sicher :p
Also mir isses deshalb wurscht wenn die das durchziehen, obwohl es in einem freiheitlichen demokratischen Staat nichts zu suchen hat.

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